Band 146: Weh dem, der lügt! von Franz Grillparzer. Reihenvorstellung der Königs Erläuterungen
11. Mai 2016 14:07:20 CEST
Es ist ja schon eine Weile her, aber seit Band Nr. 98 (König Ottokars Glück und Ende) führten wir keine Ausgabe zu einem Grillparzer-Werk mehr. Dies ändert sich erfreulicherweise nun. Mit dem Lustspiel „Weh dem, der lügt“ erfolgt ein weiterer Grillparzer in unserer Reihe, der sich auch etliche Jahre erfolgreich in unserer Reihe befand und bis in die 1970er Jahre nachgefragt wurde.
Wir zeigen Ausschnitte aus unseren verschiedenen Ausgaben - hier macht das Herz eines jeden Archivars einen freudigen Sprung -, und zeigen die unterschiedlichen Herangehensweisen unserer Autoren. Ein Spiegel der sich verändernden Literaturwissenschaft.
Zum Inhalt: In Kriegszeiten lässt sich der Küchenjunge Leon aus dem Dienst des fränkischen Bischofs Gregor entlassen und als Sklave in germanisches Feindesland verkaufen. Ziel seines tollkühnen Unternehmens ist die Befreiung von Atalus, der als Neffe des Bischofs vom Grafen Kattwald im Rheingau gefangen gehalten wird.
Der Bischof gibt Leon das Losungswort "Weh dem, der lügt!" mit auf den Weg, an das sich der junge Mann strikt hält. Wortgewandt und schlagfertig wird ihm die wahre Rede zum perfekten Mittel der Täuschung, sodass er nicht nur Atalus findet, sondern auch alle Mittel zur Flucht organisiert.
Grillparzers Lustspiel, 1838 am Burgtheater uraufgeführt, verweist als märchenhaftes Mysterienspiel auf die Grenze des Sagbaren, auf das Spiel von Lüge und Täuschung in einer "buntverworrnen“ Wirklichkeit. Aus dem moralischen Ansatz des Stückes entwickelt sich ein skeptischer Blick auf die Welt, in der allein das eigene Gefühl die unaussprechliche Wahrheit noch verbürgen kann.
"Wer deutet mir die buntverworrne Welt! Sie reden alle Wahrheit, sind drauf stolz
Und sie belügt sich selbst und ihn, er mich
Und wieder sie; der lügt weil man ihm log –
Und reden Alle Wahrheit, Alle. Alle.
Das Unkraut, merk ich, rottet man nicht aus,
Glück auf, wächst nur der Weizen etwas drüber." (siehe Schlussszene, Blick ins Buch)
Das Stück löste nach der Aufführung einen Skandal aus, der Grillparzer bewog, sich von der Öffentlichkeit zurückzuziehen. Von der Nachwelt wird Weh dem, der lügt! jedoch als eines der klassischen deutschen Lustspiele angesehen. Es erinnert an die Ausstrahlung des österreichischen Volkstheaters und an die Tradition des Barock.